die Kinder des Frank Mason

aus Roland Knecht

Das Dröhnen war nun deutlich zu hören, und es kam näher.
Ich griff nach dem Lappen auf der Werkbank, trat in den Hof hinaus, legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in die sengende Mittagshitze. Doch da war kein Flugzeug. Ich senkte den Blick, hielt die Hand wie einen Sonnenschild über die Augen und starrte in die Ferne. Dann erspähte ich die Staubwolke am Horizont. Sie näherte sich mit rasantem Tempo. Der Boden fing an zu beben. Ich erkannte einen Kühlergrill, dann noch einen und noch einen. Der Pulk kam schnell näher, und mit jeder Sekunde wuchs er um hunderte Autos an. Die wabernde Erde zu meinen Füßen fühlte sich an wie Pudding. Ich schaute nochmals zum Himmel. Das leuchtende Hellblau war einem Grau gewichen. Der Sand, den die rasende Kavalkade aufwirbelte, erblühte zu einer gigantischen Knospe aus Staub und Dunst, die alle Farben zu verschlucken schien. Das Tor! Ich musste es schließen! Doch Lehm an meinen Füßen, kein Schritt gelang. Ich stand da wie angewurzelt. Es blieb mir nichts weiter übrig, als mit blankem Entsetzen dabei zuzusehen, wie dutzende, hunderte, tausende Autos jeglicher Bauart, jeglichen Alters im Furor auf meinen Hof rasten, als galt es, das erste zu sein. Ihre Räder scharrten auf dem Boden, ihre Bleche rieben sich aneinander, ihre Stoßstangen verkeilten sich. Tür an Tür, zusammengepfercht wie Schweine beim Schlachtgang standen sie da, hatten die Scheinwerfer auf mich gerichtet und hupten, als gäbe es kein morgen. Unerträglicher Druck auf meiner Brust. Ich japste nach Luft, schloss die Augen, hielt mir die Ohren zu und fing an zu schreien: Aufhören, Schluss damit, haut ab, lasst mich in Frieden ...

Etwas riss mich aus dem Traum. War das eine Fliege, die sich zwischen Fenster und Vorhang verirrt hatte? Oder stammte das Summen von Melanies Epilierer? Das konnte nicht sein, Melanie wohnte schon länger nicht mehr hier.
Ich hörte genauer hin und ortete das Geräusch. Es kam vom Sideboard, das anstelle eines Nachttisches neben dem Bett an die Wand geschraubt war. Mein Handy lag darauf, vibrierte und tanzte auf dem Holzlaminat umher.
Ich wälzte mich auf die Seite und griff nach dem Telefon. Auf dem Display war mobile wettstein zu lesen.
Jetzt Stille. Hatten wir einen Termin vereinbart, den ich vergessen hatte? Er rief nochmals an. Ich drückte den grünen Knopf.
»Hauser.«
»Hauser, ich muss Sie sprechen.«
»Was gibt’s denn?«
»Kommen Sie auf halb zwei in die Kronenhalle. Pünktlich bitte!«
Kategorien: Krimis, Abenteuer
aus 15. November 2021
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